Mit dem neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD zeichnet sich eine deutliche Kursänderung im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab. Die nächste Bundesregierung kündigt mit ihrem Koalitionsvertrag tiefgreifende Veränderungen im Zusammenhang mit dem LkSG an. Das deutsche Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfalt soll durch die Umsetzung der europäischen Richtlinie, der Corporate Sustainability Due Diligence Directive, ersetzt werden. Die Berichtspflichten sollen sofort abgeschafft werden und eine Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten soll nicht sanktioniert werden. Eine Ausnahme stellen schwere Menschenrechtsverletzungen dar.   
 


Geplante Änderungen im Überblick

 

Nachdem CDU und CSU dem Koalitionsvertrag bereits zugestimmt hatten, wurde am 30. April auch die Zustimmung der SPD-Mitglieder verkündet. Damit ist der Weg frei für die Wahl des Bundeskanzlers – und eine neue Bundesregierung, die beabsichtigt, das LkSG anzupassen. Laut Koalitionsvertrag bleibt der Grundsatz des Gesetzes erhalten. Unternehmen sollen weiterhin menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten einhalten, doch zwei zentrale Änderungen stehen im Fokus: 

  • Wegfall der verpflichtenden Berichterstattung: Unternehmen sollen künftig nicht mehr verpflichtet sein, regelmäßig öffentlich Bericht zu erstatten, wie sie ihrer Verantwortung nachkommen. Damit entfällt ein zentrales Transparenzelement des ursprünglichen Gesetzes.
  • Abschaffung der Sanktionen – mit Ausnahmen: Sanktionen sind künftig nur noch bei „massiven Menschenrechtsverletzungen“ vorgesehen. Die Breite der bisherigen Regelung – die auch Umweltverstöße oder unterlassene Präventionsmaßnahmen umfasste – wird deutlich eingeschränkt. 

Damit verliert das Lieferkettengesetz zentrale Elemente, die bisher für Verbindlichkeit und Transparenz sorgten. Die Kontrolle der Einhaltung der Sorgfaltspflichten dürfte künftig in weiten Teilen auf Freiwilligkeit beruhen.  

 

Auswirkungen auf die Bedeutung des LkSG 

Formal bleiben die Sorgfaltspflichten bestehen. Unternehmen sind weiterhin dazu angehalten, Risiken in ihrer Lieferkette zu identifizieren, Maßnahmen zu ergreifen und Beschwerdemechanismen bereitzustellen. Doch ohne externe Berichtspflicht und ohne durchgreifende Sanktionen stellt sich die Frage: Inwieweit kann ein Gesetz wirksam sein, das sich auf freiwillige Umsetzung stützt? 

Diese Entwicklung könnte zu einer Uneinheitlichkeit in der Umsetzung führen – während einige Unternehmen ihr bestehendes Engagement aufrechterhalten, könnten andere die Einhaltung der Sorgfaltspflichten vernachlässigen. Damit droht das ursprüngliche Ziel des Gesetzes – die Stärkung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang globaler Lieferketten – an Wirkung zu verlieren.

 

Künftige Relevanz der Sorgfaltspflichten trotz Abschwächung

 

Trotz der angestrebten nationalen Lockerungen gibt es gute Gründe, warum Unternehmen ihre bestehenden Maßnahmen nicht vollständig zurückfahren sollten: 

  • Vorbereitung auf die CSDDD: Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) wird ab 2028 als EU-Verordnung verbindlich und umfassend gelten. Unternehmen, die sich bereits jetzt mit Sorgfaltspflichten befassen, sind auf die kommenden Anforderungen besser vorbereitet. 
  • Zukunftssicherheit und Risikominimierung: Frühzeitige Beschäftigung mit Sorgfaltspflichten kann helfen, rechtlichen oder gesellschaftlichen Entwicklungen proaktiv zu begegnen und Risiken in der Lieferkette gezielt zu minimieren. 
  • Erfüllung von Kunden- und Marktanforderungen: Geschäftspartner erwarten zunehmend Nachweise über die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards in der Lieferkette. Eine Berichterstattung zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten kann damit nichtsdestotrotz erforderlich sein. 
  • Bewertung durch Nachhaltigkeitsratings: Viele Ratings setzen Due Diligence-Strukturen voraus – sie sind oft Voraussetzung für Investorenvertrauen, Marktzugang oder Förderprogramme. 
  • Vertrauensbildung und Reputationsschutz: Die freiwillige Umsetzung und Berichterstattung zu menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht trägt zur Glaubwürdigkeit eines Unternehmens bei und wirkt präventiv gegenüber potenziellen Reputationsrisiken. 

 

Freiwilligkeit ist keine Einladung zum Stillstand 

Auch wenn der Koalitionsvertrag eine Lockerung der Regulierung vorsieht – Verantwortung in der Lieferkette bleibt ein zentrales Thema für Unternehmen, die zukunftsfähig bleiben wollen. Insbesondere mit Blick auf die kommenden europäischen Regelungen, wie die Corporate Sustainability Due Diligence Directive oder die EU Forced Labour Regulation, und steigende Erwartungen von Stakeholdern sind Unternehmen gut beraten, bestehende Strukturen zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten aufrechtzuerhalten und strategisch weiterzuentwickeln.