Neufassung des IDW RS IFA 1 n.F. „Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bei Gebäuden in der Handelsbilanz“
Hintergrund der Überarbeitung – Fortentwicklung der Bilanzierungsregeln betreffend Gebäudesanierungen zur Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen
Der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einem nachhaltigen und klimaneutralen Gemeinwesen führt auch zu veränderten Regeln der Bilanzierung. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtung, in Deutschland den Gebäudebestand bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sanieren, und dem daraus resultierenden massiven Bedarf zur Sanierung von Bestandsimmobilien hat sich der Immobilienwirtschaftliche Fachausschuss (IFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) intensiv mit den handelsrechtlichen Kriterien zur Abgrenzung von aktivierungspflichtigen Herstellungskosten und sofort ergebniswirksam zu erfassendem Erhaltungsaufwand – und mithin mit dem Herstellungskostenbegriff des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB – befasst. In der Konsequenz hat der IFA die neu gefasste IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bei Gebäuden in der Handelsbilanz (IDW RS IFA 1 n.F.)[1] am 6.11.2024 verabschiedet. IDW RS IFA 1 n.F. stellt insofern eine Fortentwicklung der bisherigen Auslegung des Herstellungskostenbegriffs als Teil der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) dar. IDW RS IFA 1 n.F. ist zudem Gegenstand einer gemeinsamen Berichterstattung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB), des IFA und des Steuerfachausschusses (StFA)[2] vom 24.11.2024, welche insbesondere die steuerlichen Implikationen der fortentwickelten Grundsätze adressiert.
Der Fokus der folgenden Ausführungen wird auf den Änderungen des neuen gegenüber dem bisherigen IDW RS IFA 1 liegen – die bisher geltende, alte Fassung des IDW RS IFA 1 wurde am 25.11.2013 verabschiedet. Ein kurzer Exkurs wird zudem die entsprechenden Regelungen innerhalb der internationalen Rechnungslegung (hier: IAS 16) zum Gegenstand haben.
Kernaussagen des IDW RS IFA 1 n.F.
Der IDW RS IFA 1 n.F. betrifft grundsätzlich sowohl Wohn- als auch Gewerbeimmobilien und ist erstmals anzuwenden auf Abschlüsse für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2025 beginnen – wobei eine frühere Anwendung zulässig ist, sofern die darin enthaltenen Regelungen vollständig beachtet werden.
Die wesentlichen Neuerungen betreffen:
- die Erweiterung eines Gebäudes durch bauliche Maßnahmen, u.a. erläutert am Beispiel der Installation einer Aufdach-Photovoltaik-Anlage[3],
- die Ausweitung bzw. Präzisierung der zentralen Bereiche der Ausstattung, deren Verbesserung zu einer Anhebung des Gebäudestandards führen kann[4], und
- die wesentliche Verbesserung der Gebäudequalität aufgrund einer deutlichen Minderung des Endenergiebedarfs oder -verbrauchs durch energetische Sanierungsmaßnahmen[5].
Alle drei als wesentlich erachteten Aspekte zielen auf eine Erhöhung des Beitrags des Gebäudesektors zum Klimaschutz und führen bilanziell im Ergebnis zu Herstellungskosten im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB.
Aktivierungsvoraussetzungen gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB im Kontext von Gebäuden
Neben dem hier nicht weiter betrachteten Herstellungsvorgang sind gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entsprechende Aufwendungen nur dann als Herstellungskosten aktivierbar, wenn ein Vermögensgegenstand dadurch entweder erweitert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlichen verbessert wird.
Ein Gebäude wird demnach erweitert, wenn es durch bauliche Maßnahmen in seiner Substanz vermehrt wird, also z.B. die nutzbaren Flächen vergrößert oder nachträglich neue Bestandteile mit bisher nicht vorhandenen Funktionen eingebaut werden. Eine Gebäudeerweiterung kann – unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls - nunmehr auch vorliegen, wenn z.B. eine Aufdach-Photovoltaik-Anlage installiert wird, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude steht. Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn Pflichten zum Einbau der Anlage bestehen oder der mit ihr erzeugte Strom (nahezu) ausschließlich in dem betreffenden Gebäude verbraucht wird.[6] Die entsprechenden Aufwendungen sind also als Erweiterung zu den bisherigen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gebäudes zu aktivieren und entsprechend mit dem Gebäude einheitlich abzuschreiben.
Ohne den beschriebenen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang liegen indes selbstständig verwertbare Anlagen vor, die als eigenständige Vermögensgegenstände zu behandeln sind.
Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „wesentliche Verbesserung“ verkörpert einen unbestimmten Rechtsbegriff. Kommentierung und Rechtsprechung haben mit der Zeit und durch zahlreiche – vor allem steuerlich motivierte – gerichtliche Auseinandersetzungen praktikable Leitlinien entwickelt, um diesen unbestimmten Rechtsbegriff inhaltlich zu präzisieren: Eine wesentliche Verbesserung über den ursprünglichen Zustand hinaus ist demnach gegeben, wenn die Nutzungsdauer eines Gebäudes deutlich verlängert oder die Gebäudequalität über eine zeitgemäße, nur die Substanz erhaltende, Erneuerung hinaus deutlich verbessert wird. Das Gebäude muss im Ergebnis also zukünftig über ein höheres Nutzungspotenzial[7] verfügen – dazu kann z.B. auch ein Bündel verschiedener Einzelmaßnahmen umgesetzt werden. Als ursprünglicher Zustand gilt dabei grundsätzlich der Zustand des Gebäudes zum Zeitpunkt der Herstellung oder der Anschaffung. Im Hinblick auf eine wesentliche Verbesserung durch die qualitative Verbesserung eines Gebäudes gelten u.a. die folgenden fortentwickelten Grundsätze:
- Der Gebrauchswert eines Gebäudes bestimmt sich u.a. durch dessen Ausstattung. Liegt z.B. aufgrund einer baulichen Maßnahme eine Anhebung des Gebäudestandards in mindestens drei der zentralen Bereiche der Ausstattung vor, kann von einer wesentlichen Verbesserung ausgegangen werden. IDW RS IFA 1 n.F. definiert nunmehr als zentrale Bereiche der Ausstattung:[8]
- Maßnahmen zur Wärme- und Energieerzeugung, -versorgung und -speicherung,
- Sanitärausstattung,
- Elektroinstallation/Informationstechnik (einschließlich Gebäudeautomation),
- Fenster und
- Wärmedämmung.
- Gleichwertig zur Anhebung des Standards in mindestens drei der fünf zentralen Bereiche der Ausstattung können jetzt auch Maßnahmen einer energetischen Sanierung, die zu einer deutlichen Minderung des Endenergiebedarfs oder -verbrauchs führen, eine wesentliche qualitative Verbesserung des Gebäudes darstellen. Wenn der Endenergiebedarf oder -verbrauch um mindestens 30% gegenüber dem ursprünglichen Zustand gesenkt wird, ist regelmäßig von einer wesentlichen Verbesserung der Gebäudequalität auszugehen.[9] Die Aktivierung hängt nicht davon ab, ob sich auch bei anderen zentralen Ausstattungsmerkmalen Verbesserungen ergeben haben (Ausnahme von der „3 von 5-Regelung“).
Steuerliche Implikationen der Neuregelungen des IDW RS IFA 1 n.F.[10]
Durch die (formelle) Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG) der Handels- für die Steuerbilanz haben die Neuerungen des IDW RS IFA 1 n.F. und die dadurch geschaffene Fortentwicklung der Auslegung des Herstellungskostenbegriffs grundsätzlich auch Bedeutung für die steuerliche Gewinnermittlung. Die Bewertung von Bilanzposten in der Steuerbilanz richtet sich zwar primär nach § 6 EStG, bei fehlenden „Spezialvorschriften“ zur einkommensteuerlichen Bewertung greifen jedoch die als kodifizierte (handelsrechtliche) GoB zu beurteilenden allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 252 HGB sowie die Bewertungsnormen der §§ 253 bis 256a HGB.
Die vom Bundesfinanzhof (BFH) für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung bereits vor vielen Jahren entwickelten Kriterien für die Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bei Wohngebäuden stellen (bisher) ausschließlich darauf ab, dass bzw. ob durch die baulichen Maßnahmen in mindestens drei von vier Kernbereichen der Ausstattung eine Hebung des qualitativen Standards des Gebäudes stattfindet. Der BFH definiert diese Kernbereiche insoweit leicht abweichend gegenüber dem IDW als:
- Heizung,
- Sanitär,
- Elektrik und
- Fenster.
Es ist vorstellbar, dass die Finanzverwaltung weiterhin an den vom BFH aufgestellten Grundsätzen für die Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bei Wohngebäuden festhält. Es ist aber auch möglich, dass die Finanzverwaltung der Auffassung des IDW vor diesem Hintergrund folgen und die geänderte Vorgehensweise zur handelsrechtlichen Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten mit Blick auf die Durchführung von umfassenden energetischen Sanierungsmaßnahmen auch steuerlich umsetzen wird und damit aus steuerlicher Sicht bislang sofort abzugsfähige Betriebsausgaben zukünftig über die (Rest-)Nutzungsdauer des insoweit „wesentlich verbesserten“ Gebäudes abzuschreiben sind.
Die Fachausschüsse des IDW weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Steuerpflichtige, die infolge einer umfassenden energetischen Sanierungsmaßnahme ausschließlich auf der Grundlage des in IDW RS IFA 1 n.F., Tz. 14a, neu formulierten Kriteriums (nachträgliche) Herstellungskosten in ihrer Handelsbilanz aktivieren und dieses Vorgehen für steuerbilanzielle Zwecke übernehmen, im Rahmen ihrer Steuerdeklaration klar darauf hinweisen sollten, eine möglicherweise von der Verwaltungsauffassung abweichende Rechtsauffassung vertreten zu haben. Im umgekehrten Fall, wenn eine Aktivierung von Sanierungskosten als Herstellungskosten in der Steuerbilanz – abweichend von der Handelsbilanz – nicht erfolgt (also dort Behandlung als Betriebsausgabe), sind handels- und steuerrechtliche Folgewirkungen nach den allgemeinen Grundsätzen zu beachten: Es kommt u.a. die Bilanzierung (passiver) latenter Steuern in Betracht.
Die für die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft bedeutsame zutreffende Durchführung des Gewinnabführungsvertrags steht nach Ansicht des IDW indes nicht in Frage, da maßgeblich für die tatsächliche Durchführung das nach handelsbilanzrechtlichen Grundsätzen ermittelte Ergebnis ist.
Anwendung der Leitlinien des IDW RS IFA 1 n.F. auch im Kontext des IAS 16?
Das Problem der Abgrenzung von aktivierbaren (nachträglichen) Herstellungskosten gegenüber sofort aufwandswirksamen Instandhaltungskosten behandelt die internationale Rechnungslegung in IAS 16.12 ff. unter der neu-tralen Überschrift "subsequent costs". Das Abstraktionsniveau der Vorgaben ist – dem HGB sehr ähnlich – hoch und der Konkretisierungsgrad gering, so dass zunächst viele Anwenderfragen offenbleiben.[11] Einige Ansatzpunkte zur Konkretisierung bietet die bis 2004 geltende Fassung des IAS 16, dort wurden als Beispiele für (nachträgliche) Herstellungskosten jeweils Maßnahmen genannt, die entweder
- die Kapazität erweitern,
- die Nutzungsdauer verlängern oder
- eine substanzielle Verbesserung der Qualität bringen.
In diesen Fällen liegen regelmäßig eine Erhöhung des Nutzens und damit auch nach aktueller Fassung des IAS 16 zu aktivierende Kosten vor, wobei es bei nachträglichen Kosten nur um einen gegenüber dem ursprünglichen Zustand zum Herstellungs- bzw. Anschaffungszeitpunkt hinausgehenden zusätzlichen Nutzen gehen kann.[12] Es sind gemäß IAS 16 demnach insbesondere Kosten zu aktivieren, die zu einer Steigerung des ursprünglich erwarteten Nutzens führen.[13]
In einem solchen Verständnis der einschlägigen IFRS-Normen kommen deutliche Parallelen zum Vorgehen nach HGB bzw. zu der Systematik des IDW RS IFA 1 n.F. zum Ausdruck. Die dort beschriebenen Sachverhalte – also die Erweiterung eines Gebäudes durch eine Aufdach-Photovoltaik-Anlage sowie die wesentliche Verbesserung eines Gebäudes durch qualitative Verbesserung und Anhebung des Gebäudestandards in mindestens drei zentralen Bereichen der Ausstattung bzw. durch Maßnahmen einer energetischen Sanierung – können ohne weiteres auch unter die obigen IAS 16 Normen subsumiert werden, da sie offenkundig zu einer Steigerung des ursprünglich erwarteten Nutzens führen. Im Ergebnis spricht daher vieles dafür, dass zumindest die nach IDW RS IFA 1 n.F. gebotenen Aktivierungen von (nachträglichen) Herstellungskosten auch gemäß IAS 16 analog vollzogen werden können.
[1] Vgl. IDW Life 12/2024, S. 1125 ff.
[2] Abrufbar im Mitgliederbereich unter www.idw.de (Abruf: 14.1.2025).
[3] Vgl. IDW RS IFA 1 n.F., Tz. 6 f.
[4] Vgl. IDW RS IFA 1 n.F., Tz. 13.
[5] Vgl. IDW RS IFA 1 n.F., Tz. 14a).
[6] Vgl. IDW RS IFA 1 n.F., Tz. 6a).
[7] Vgl. Knop/Küting/Knop, in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, § 255 HGB Rn. 346; Stand: 28.05.2024.
[8] Vgl. IDW RS IFA 1 n.F., Tz. 13.
[9] Vgl. IDW RS IFA 1 n.F., Tz. 14a).
[10] Vgl. für die folgende Zusammenfassung die „Gemeinsame Berichterstattung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB), des Immobilienwirtschaftlichen Fachausschusses (IFA) und des Steuerfachausschusses (StFA) vom 24.11.2024, S. 1-4; abrufbar im Mitgliederbereich unter www.idw.de (Abruf: 14.1.2025).
[11] Vgl. Haufe IFRS-Kommentar Online, Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, § 14 Sachanlagen, Rz. 40; Stand: 01.01.2024.
[12] Vgl. Haufe IFRS-Kommentar Online, Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, § 14 Sachanlagen, Rz. 41; Stand: 01.01.2024.
[13] Vgl. Haufe IFRS-Kommentar Online, Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, § 14 Sachanlagen, Rz. 44; Stand: 01.01.2024.