Fallstricke beim Unternehmenserwerb – Bilanzielle Behandlung von Earn-Out-Klauseln nach IFRS

Im Kontext von Unternehmenserwerben kommt es, unter anderem aufgrund von Informations-Asymmetrien, oftmals zu signifikant divergierenden Preisvorstellungen von Veräußerern und Erwerbern. Speziell dann, wenn der Erwerber beabsichtigt, sofort mit 100% Stimmrechten „durchzuregieren“, andererseits die Veräußerer im von ihnen veranschlagten Unternehmenswert langfristige Renditechancen sehen, kann so eine nicht unerhebliche „Bewertungslücke“ entstehen. In der Praxis sind so genannte „Earn-Out-Vereinbarungen“ oftmals ein probates Mittel, derartige Konflikte aufzulösen, also dem Erwerber zu ermöglichen, die Kontrolle über das Erwerbsobjekt zu einem kurzfristig günstigeren und damit liquiditätsschonenden bzw. leichter zu finanzierenden Basis-Kaufpreis zu erwerben, andererseits die Veräußerer an der mittel- bis langfristigen Performance des Unternehmens teilhaben zu lassen. Unter „Earn-Outs“ versteht man einen Teil des Gesamt-Transaktionspreises, auf den ein Anspruch erst mit Eintritt bestimmter vorab definierter Performance- oder sonstiger Bedingungen entsteht. Je nach Länge dieser „Earn-Out-Periode“ können oftmals Jahre zwischen Erwerb und (potenzieller) Zahlung vergehen. 

Bilanziell herausfordernd sind speziell Vereinbarungen, bei denen nach dem Erwerb bspw. einige oder alle Veräußerer trotz Aufgabe (oder Verringerung) ihrer Gesellschafterstellung als Angestellte (Management) beim Erwerbsobjekt verbleiben und der Erhalt von Earn-Out-Zahlungen etwa (unter anderem) von deren Verbleib abhängt. Für den Erwerber haben solche Regelungen den Vorteil, dass sie die Veräußerer zur Erbringung nacherwerblicher Leistungen incentivieren und etwaige immaterielle Ressourcen der Veräußerer, etwa deren Innovationskraft oder Kontaktnetzwerk, synergistisch an den Erwerber binden. Gegebenenfalls enthalten die „Earn-Outs“ neben zu erreichenden Performance-Zielen so genannte „Bad-Leaver-Klauseln“, nach denen bspw. Teile oder der gesamte Zahlungsanspruch der Veräußerer unabhängig vom Erreichen der Performance-Ziele automatisch verfällt, wenn diese das Unternehmen während der Earn-Out-Periode von sich aus verlassen. 

IFRS-Bilanzierer müssen die bilanziellen Wirkungen solcher Vertragsklauseln nach IFRS 3 Business Combinations analysieren, speziell nach den in IFRS 3.B55 genannten Regeln und Indikatoren. Beim Erwerb ist zu entscheiden, ob Earn-Outs 

  • nachgelagerte Erwerbskosten für die zugrundeliegenden Unternehmensanteile oder aber 
  • Vergütung für nacherwerblich von den beim Erwerbsobjekt verbleibenden Veräußerern zu erbringende (Arbeits-) Leistungen darstellen. 

Im ersten Fall hat der Erwerber zum Erwerbszeitpunkt eine (bedingte) Verbindlichkeit zum Fair Value zu passivieren, die Gegenbuchung erfolgt erfolgsneutral gegen Goodwill. Dieser wird in der Folge nicht planmäßig abgeschrieben, sondern gemäß IAS 36 Impairment of Assets (mindestens) einem jährlichen Wertminderungstest unterzogen. Lediglich die Verbindlichkeit ist zwingend erfolgswirksam zum Fair Value fortzuschreiben. Eventuelle Wertminderungsaufwendungen des Goodwills werden i.d.R. unterhalb der für Investor-Relations- bzw. Incentivierungs-Zwecke oft relevanten, operativen Performance-Kennziffer EBITDA („Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization“, also dem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) ausgewiesen oder aber im Rahmen bereinigter („adjusted“) alternativer Performance-Kennzahlen („Alternative Performance Measures“) „bereinigt“. 

Stellt der Earn-Out entweder in Gänze oder teilweise eine nacherwerbliche Leistungsvergütung dar, erfolgt die Erfassung der Vergütungskomponente i.d.R. zeitanteilig über die Earn-Out-Periode, und zwar als operativer (Personal-)Aufwand innerhalb des EBITDA. Dies kann je nach (entweder nach IAS 19 Employee Benefits oder IFRS 2 Share-based Payment erfolgender) Bewertung zu signifikanter GuV-Volatilität führen, speziell aber das EBITDA nachhaltig beeinflussen. 

Für Abgrenzungszwecke enthält IFRS 3.B55 eine fixe Regel (Paragraf (a)) und sieben in der Gesamtschau zu betrachtende Indikatoren ((b) bis (h). Bei Verfallsautomatismen wie Bad-Leaver-Klauseln, dies hat das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) mehrfach (!) unmissverständlich klargemacht, stellen Earn-Outs gemäß IFRS 3.B55(a) immer (!) nacherwerblichen Aufwand dar, auch dann, wenn eine separate Gesamtschau der Indikatoren (b) bis (h) möglicherweise ein anderes Bild ergeben würde. Ohne Verfallsautomatismus sind die Dauer der notwendigen fortgesetzten Beschäftigung (b), die Marktkonformität der sonstigen Management-Vergütung der verbleibenden Veräußerer (c), ggf. vorhandene Unterschiede der Zahlungshöhe für nicht beim Erwerbsobjekt verbleibende Veräußerer zu den verbleibenden zu zahlenden Beträgen (d), den von beiden Gruppen gehaltenen Anteile (e), die Earn-Out-Bewertungsformel ((f) und (g)) sowie sonstige Faktoren wie die steuerliche Behandlung der Earn-Out-Beträge beim Empfänger (h) als Indikatoren in ihrer Gesamtschau zu prüfen. 

Da die Prüfung dieser Regel und Indikatoren hochgradig ermessensabhängig sind, „der Teufel oftmals im“ (i.d.R. sehr umfangreichen) Vertrags-„Detail steckt“ und die bilanziellen Folgewirkungen erhebliche Effekte sowohl auf die Erstkonsolidierung als auch die nacherwerbliche Performance-Darstellung des erwerbenden und erworbenen Unternehmens haben können, ist zu empfehlen, diese bereits im Vorfeld von Unternehmenserwerben, spätestens aber im Rahmen konkreter Verhandlungen zu berücksichtigen, um „unliebsame Überraschungen“ in der Unternehmenskommunikation, der Abschlussprüfung oder ggf. erfolgende Enforcement-Prüfungen, aber auch für die nacherwerbliche Management-Incentivierung zu vermeiden.