Die EU hat in den letzten Monaten eine Anzahl von neuen Regularien ins Leben gerufen – und sie haben eine große Gemeinsamkeit. Denn Corporate Social Responsibility Directive (CSRD), Corporate Sustainabilty Due Dilligence Directive (CSDDD), Deforestation Regulation (EUDR) oder zukünftig die Green Claims Directive (GCD) und das Carbon Removal Certification Framework (CRCF) verlangen alle eines: Nachvollziehbarkeit. All diese neuen Rechtsakte der EU fordern, dass Lieferketten, Eigenschaften oder Werbeaussagen jederzeit transparent und nachvollziehbar sein müssen.
Um diese vom Gesetzgeber geforderte Nachvollziehbarkeit zu erreichen, ist eine Unmenge von Daten zu erfassen, zu verarbeiten und entlang der Wertschöpfungskette auszutauschen. Diese Daten sind meist bereits vorhanden und wären bestens geeignet, um die Grundlage für Aussagen oder die Erfüllung von Berichtspflichten zu liefern.
Verbrauch von Fahrzeugen einer Logistikflotte (für Zwecke des CO2-Reportings) oder Daten aus Landmaschinen (zum Nachweis der korrekten Verwendung von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln)
Es wäre also alles ganz einfach: In einer Welt verfügbarer Daten erstellen sich Berichte fast von alleine und die daraus – unter anderem mittels KI – gewonnenen Erkenntnissen können darüber hinaus noch zu enormen Effizienzgewinnen bei den Unternehmen führen, wenn beispielsweise hohe Verbrauchsmengen oder ineffiziente Logistik offenkundig werden.
Doch die Wirklichkeit sieht derzeit noch ganz anders aus: Vielfältige reale oder angenommene Hindernisse stehen der Datennutzung entgegen. Der Bitkom konstatierte kürzlich, dass Datennutzung und -austausch bei Unternehmen kaum stattfindet.1 Die häufigsten genannten Gründe sind der Datenschutz, die Unsicherheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Angst vor Missbrauch der Daten, fehlende Kompatibilität und der Verlust von Geschäftsgeheimnissen.
Die EU hat dieses Problem durchaus erkannt und mit der EU-Datenstrategie eine Vielzahl von Regelungen erlassen, die Datenzugang, -nutzung und -austausch fördern sollen. Und es lohnt sich für Unternehmen, sich näher mit genau diesen Regelungen zu beschäftigen.
Einen Vorgeschmack auf weiter gehende Maßnahmen im Bereich der Nachhaltigkeitsdaten gibt der Europäische Gesundheitsdatenraum, der als eine Verordnung sogar eine Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zwingend vorsieht.
Die EU sieht also die Notwendigkeit des Datenaustausches und fördert sie mit verschiedenen Maßnahmen. Doch trotz dieser Ambitionen des europäischen Gesetzgebers bleibt der praktische Datenaustausch für die Unternehmen noch immer herausfordernd.
Es bewegt sich also etwas – und das sollte vielen Unternehmen Hoffnung geben. Hoffnung, die sie gerade in den aktuellen volatilen Zeiten durchaus benötigen: Selten gab es so viele Herausforderungen für Unternehmen. Sie sehen sich mit einer echten wirtschaftlichen Flaute, einem umfassenden Technologiewechsel und dem Klimawandel konfrontiert, müssen sich bei all dem auch mit regulatorischen Anforderungen auseinandersetzen.
All das belastet die bisherigen Geschäftsmodelle der Unternehmen. Doch diese Herausforderungen lassen sich bewältigen – und der Schlüssel zur Bewältigung liegt in den Daten. Doch das setzt voraus, dass Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger Themen wie Nachhaltigkeit, Innovation und Regulatorik immer gemeinsam mit Daten denken – und den Austausch von ebendiesen Daten vereinfachen.
Dabei sollten sie sich nicht von den üblichen Bedenken einschränken lassen. Denn die Datennutzung ist möglich – auch unter Wahrung des Datenschutzes, der Geschäftsgeheimnisse und der Datensicherheit.
Experte: Matthias Niebuhr
1 Bitkom (2024): Deutsche Unternehmen nutzen ihre Daten kaum. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Deutsche-Unternehmen-nutzen-ihre-Daten-kaum. [Stand: 28.01.2025]
2 European Commission (2024): European Green Deal Data Space: moving to implementation. URL: https://environment.ec.europa.eu/events/european-green-deal-data-space-moving-implementation-2024-03-06_en [Stand: 28.01.2025]
3 Catena-X (2024): Digital Product Passports as enablers for the Circular Economy. URL: https://catena-x.net/fileadmin/user_upload/Publikationen_und_WhitePaper_des_Vereins/2407_DPP_Circular_Economy_WP_v1.pdf. [Stand: 28.01.2025]
4 European Commission (2024): Draft standardisation request as regards European Trusted Data Framework. URL: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/62854. [Stand: 28.01.2025]
5 European Commission (2024): The future of European competitiveness. URL: https://commission.europa.eu/document/download/ec1409c1-d4b4-4882-8bdd-3519f86bbb92_en?filename=The%20future%20of%20European%20competitiveness_%20In-depth%20analysis%20and%20recommendations_0.pdf. [Stand: 28.01.2025]
6 BfDI (2024): Neue BfDI tritt Amt an. URL: https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/10_Neue-BfDI.html?nn=251944. [Stand: 28.01.2025]
7 Z. B. die Mustervertragsklauseln der EU. Vgl. EU Commission (2024): Series of webinars: The Data Act in contracts. URL: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/events/series-webinars-data-act-contracts