Kriterien einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte


Bei international tätigen Unternehmen stellt die Betriebsstätte die für die Besteuerung im jeweiligen Staat entscheidende Intensitätsschwelle dar; zahlreiche Vorschriften bauen darauf auf. Dementsprechend kommt es zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung immer wieder zu Auseinandersetzungen darüber, aufgrund welcher maßgeblicher Kriterien eine Betriebsstätte besteht. Mit Urteil vom 18.12.2024 (Az. I R 47/21) hatte der BFH Gelegenheit, zu wesentlichen Aspekten einer Betriebsstätte zu entscheiden und somit für weitere Rechtssicherheit zu sorgen. 

Ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger betrieb in den Streitjahren 2009 und 2010 ausschließlich in der Schweiz ein Taxiunternehmen mit mehreren angestellten Fahrerinnen und Fahrern. Als Mitglied einer schweizerischen Taxigenossenschaft stand ihm für seine Büroarbeiten dauerhaft ein entsprechend ausgestatteter Arbeitsplatz mit einem nur ihm zugänglichen Standcontainer zur Verfügung. Dort bereitete er die Buchführung und schweizerischen Steuererklärungen vor und übte weitere ausschließlich beruflich notwendige Bürotätigkeiten aus. Die Einkünfte aus dem Taxibetrieb wurden angesichts der in der Schweiz ausgeführten Taxi-Tätigkeiten dort versteuert. Zusätzlich unterwarf das Finanzamt die erzielten Gewinne auch der Besteuerung in Deutschland. Es sah in der Schweiz keine Betriebsstätte, so dass der Taxiunternehmer seinen Betrieb aus seiner Privatwohnung in Deutschland geleitet habe und deshalb auch insoweit steuerpflichtig sei. Dem traten Finanzgericht und BFH entgegen.

Das im Streitfall maßgebliche abkommensrechtliche Tatbestandsmerkmal für eine Betriebsstätte ist die "feste Geschäftseinrichtung". Diese wird vom DBA-Schweiz allerdings nicht definiert, so dass der BFH auf seine Rechtsprechung zu "feste Geschäftseinrichtung oder Anlage" in § 12 AO zurückgreift. Eine Betriebsstätte bedarf danach körperlicher Gegenstände mit einer festen Beziehung (Verbindung) zur Erdoberfläche, die von einer gewissen zeitlichen Dauer ist. Ferner muss der Unternehmer über die Einrichtung eine ausreichende Verfügungsmacht haben, damit jene auch seinem Unternehmen zuzuordnen ist. Dabei stellt der BFH ausdrücklich klar, dass diese Kriterien nicht isoliert betrachtet werden können, sondern gegenseitiger Wechselwirkung unterliegen und so besondere Ausprägungen eines Merkmals auch Indizien für ein anderes sein können. Er verweist dazu auch auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach „im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung darüber zu befinden ist, ob das Unternehmen mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausreichend ‘verwurzelt‘ ist.“ 

Dies war im Streitfall gegeben, zumal anders als das Finanzamt annahm, nicht nur auf den Standcontainer des Taxiunternehmers, sondern auf den gesamten Büroraum abzustellen war. Denn auch daran war ihm durch die Taxigenossenschaft ein rechtlich selbständiger, jederzeitiger Mitnutzungsanspruch zu eigenen betrieblichen Handlungen eingeräumt. Dass dem Taxiunternehmer kein konkreter Arbeitsplatz zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen war, sondern lediglich ein Mitnutzungsrecht für das Büro und dessen gesamte Ausstattung bestand, war letztlich unerheblich. Er hatte aufgrund der begrenzten Anzahl der Mitnutzer der Büroräume jederzeit die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz für die Erledigung seiner Tätigkeiten zu nutzen. Zusätzlich hatte sich die Dauerhaftigkeit der Verfügungsmacht in der personenbezogenen Nutzungsstruktur eines ausschließlich ihm überlassenen und entsprechend beschrifteten Standcontainers manifestiert. 

Für eine feste Geschäftseinrichtung und damit auch eine Betriebsstätte reicht es allerdings nicht aus, wenn dort lediglich Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten erbracht werden (s. Art. 5 Abs. 3 e DBA-Schweiz). Zumindest sind dort Teile der aus dem Unternehmensgegenstand abzuleitenden Haupttätigkeit zu erbringen. Dazu können auch Tätigkeiten zählen, die zwar nicht unmittelbar der Gütererstellung bzw. der Dienstleistung dienen, aber zentrale Unternehmensfunktionen betreffen. So gehört zur Haupttätigkeit eines Taxiunternehmens mit mehreren angestellten Taxifahrerinnen und -fahrern nicht allein das Fahren von Taxis zum Zwecke der Personenbeförderung, sondern auch nötige geschäftsleitende sowie zentrale unternehmerisch administrative Tätigkeiten wie z.B. Personalverwaltung, Vorbereitung der laufenden Unternehmensbuchführung, Überwachung des Finanzwesens sowie die Sicherstellung der Einhaltung behördlicher, insbesondere berufsspezifischer Unternehmensauflagen.

Dementsprechend bestand im Streitfall eine – alleinige - Betriebsstätte des Taxiunternehmers in der Schweiz. Die hieraus erzielten gewerblichen Einkünfte waren nach dem DBA-Schweiz in Deutschland in voller Höhe von der inländischen Besteuerung auszunehmen und lediglich im Rahmen des sog. Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. 
 

Hinweise:

Eine ebenso wichtige Voraussetzung einer Betriebsstätte ist die Nutzung der Einrichtung und (abschließbaren) Gegenstände ausschließlich zu betrieblichen Zwecken. Im Streitfall war dies unstrittig erfüllt. In anderen Fällen wurde wegen der Aufbewahrung privater Gegenstände in Schränken oder Standcontainern eine Betriebsstätte abgelehnt. In der Praxis sind deshalb eindeutige Verhältnisse zu schaffen. Private Anknüpfungspunkte sollten möglichst vermieden werden; gleichzeitig sollten alle anderen Merkmale weitestgehend erfüllt sein. Uneindeutigkeiten können hingegen zu Qualifikationskonflikten führen.

Einen sehr vergleichbaren Fall der Betriebsstättenbegründung im Inland hatte der BFH mit Urteil vom 07.06.2023 (Az. I R 47/20) in Bezug auf einen im Flughafenhangar in Deutschland beschäftigten Flugzeugingenieur entschieden. Auch hier wurde die Betriebsstätte aufgrund von Spind und Schließfach in den Gemeinschaftsräumen auf dem Flughafengelände bejaht.