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Keine Rückstellung für künftige Wartung von Zügen

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zu bilden. Sie setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Ist die Verpflichtung dem Grunde nach noch nicht entstanden, kann eine Rückstellung nur gebildet werden, wenn sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren entstanden ist.

Im Streitfall hatte ein Eisenbahnverkehrsunternehmen Triebfahrzeuge geleast, um mit diesen Leistungen im Schienenpersonennahverkehr zu erbringen. Nach dem Leasingvertrag war die Instandhaltungspflicht dem Leasingnehmer auferlegt. Insoweit war vertraglich vorgesehen, dass regelmäßige Wartungen nach den Vorgaben des Herstellers durchzuführen waren und die Hauptuntersuchungen nach §§ 32, 33 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung zu besorgen waren. Sowohl Wartungen als auch Hauptuntersuchungen waren nach festen Plänen durchzuführen, welche an die Laufleistung der Züge anknüpfte. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen bildete nun entsprechend der in den abgelaufenen Jahren erfolgten Laufleistung anteilige Rückstellungen für die später anfallenden Wartungen bzw. Hauptuntersuchungen.

Der BFH bestätigt nun aber mit Urteil vom 19.02.2025 (Az. XI R 11/22), dass insoweit noch keine Rückstellungen zulässig waren. In Anschluss an frühere Rechtsprechung stellt das Gericht heraus, dass eine öffentlich-rechtliche Wartungsverpflichtung wirtschaftlich nicht in der Vergangenheit verursacht ist, weil wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung das Erreichen der zulässigen Betriebszeit ist, die den typischerweise auftretenden Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen Rechnung trägt. Erst wenn der Betrieb über die zulässige Betriebszeit hinaus fortgesetzt werden soll, muss der Halter die genannten Kontrollen durchführen. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen legitimiert also nicht den Betrieb des entsprechenden Geräts in der Vergangenheit, sondern ermöglicht ihn in der Zukunft. Dementsprechend liegt regelmäßig eigenbetrieblicher Aufwand vor, der keine geeignete Grundlage für eine Rückstellung ist, weil der Wartungsaufwand mit künftigen Erträgen im Zusammenhang steht.

Mithin kann für solche Verpflichtungen bilanziell keine Rückstellung gebildet werden. Vielmehr können die Wartungskosten erst dann als Betriebsausgaben geltend gemacht werden, wenn diese tatsächlich anfallen.

Auch aus der vertraglichen Abrede im Leasingvertrag ergab sich keine Rückstellungspflicht. Da die Verpflichtung zur Wartung erst mit Ablauf der zulässigen Betriebszeit entstand, konnte vor diesem Zeitpunkt ein Erfüllungsrückstand betreffend des Leasingvertrages als schwebendes Geschäft nicht entstehen.

Diese Grundsätze gelten im Übrigen nicht nur für die steuerliche Gewinnermittlung, sondern auch für die Handelsbilanz.

Hinweis: 

Vergleichbare Urteile im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Wartungsverpflichtungen, die wirtschaftlich nicht in der Vergangenheit verursacht sind, hat der BFH bereits für Hubschrauber (BFH, Urteil vom 19.05.1987, Az. VIII R 327/83) und Flugzeuge (BFH, Urteil vom 09.11.2016, Az. I R 43/15) gefällt; diese Grundsätze lassen sich vermutlich auch auf weitere Verkehrsmittel übertragen. 

Eine andere Rechtsfolge kann sich allerdings bei möglicherweise parallel existierenden vertraglichen Verpflichtungen ergeben, wie bspw. die vereinbarte Übernahme der anteiligen Wartungskosten bei vorzeitiger Rückgabe eines geleasten Flugzeugs, da hier der Wertverlust aufgrund der bisherigen Nutzung ausgeglichen wird. Entsprechende Verträge sind daher sorgfältig zu überprüfen.

Dieser Artikel wurde verfasst von

Katrin Driesch
Steuerberaterin, Director, National Office Tax & Legal/Quality Assurance