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Aktivierung von Provisionsansprüchen bei Versicherungsvertretern

Ein Handelsvertreter im Allgemeinen hat gem. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB regelmäßig Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Demgegenüber enthält § 92 Abs. 4 HGB für den Provisionsanspruch von Versicherungsvertretern - als einer besonderen Gruppe von Handelsvertretern - ein anderes Regelungssystem. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision i.S.d. § 87a Abs. 1 HGB, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Der BFH hatte in seinem Urteil vom 30.04.2025 (Az. X R 12-13/22) zu klären, zu welchem Zeitpunkt Provisionsforderungen aus einer Tätigkeit als Versicherungsvertreter bzw.-vermittler unter Beachtung des § 92 Abs. 4 HGB zu aktivieren sind.

Im Streitfall leistete eine Versicherungsgesellschaft für die Vermittlung stornobehafteter Verträge bereits vor dem rechtlichen Entstehen des Provisionsanspruchs auf freiwilliger Basis Zahlungen an den Versicherungsvermittler. Diese waren laufzeitanteilig zurückzugewähren, wenn der vermittelte Vertrag vor Ablauf der Stornohaftungszeit aufgelöst wird. Zur Sicherung dieser vorfinanzierten Beträge nahm die Versicherungsgesellschaft einen als Rückstellung bezeichneten Einbehalt vor. In ihren Jahresabrechnungen gab sie u.a. die Soll-Rückstellungen (= Beträge, die sich rechnerisch nach Maßgabe der vorfinanzierten Provisionen und des vertraglichen Rückstellungs-Prozentsatzes ergeben) und Ist-Rückstellungen (= Beträge, die tatsächlich einbehalten wurden) an. Finanzamt und Finanzgericht vertraten die Auffassung, dass der Versicherungsvermittler den Betrag der Soll-Rückstellung als Provisionsanspruch in seiner Bilanz zu aktivieren habe. Der BFH würdigte den Streitfall dezidierter und wies ihn zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurück.

Der Zeitpunkt, zu dem Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern zu aktivieren sind, bestimmt sich nach der Vertragsgestaltung im jeweiligen Einzelfall. Diese kann an das in § 92 Abs. 4 HGB geregelte gesetzliche Leitbild anknüpfen, muss sie aber nicht. Wenn sich aus der maßgeblichen Provisionsregelung ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse. Diese sind beim Versicherungsvertreter als erhaltene Anzahlungen zu passivieren und haben noch keine gewinnrealisierende Wirkung; dies gilt im Übrigen bei allen Handelsvertretern im Anwendungsbereich des § 87a Abs. 1 HGB.

Demgegenüber ist ein Provisionsanspruch zu aktivieren, wenn er rechtlich entstanden ist und der Leistungsverpflichtete seine Verpflichtung wirtschaftlich erfüllt hat. Wenn im konkreten Vertrag – in Abweichung von § 92 Abs. 4 HGB und zugunsten des Versicherungsvertreters – vereinbart ist, dass der Provisionsanspruch bereits entsteht, wenn der jeweils vermittelte Versicherungsvertrag zustande gekommen ist, ist der Anspruch in diesem Zeitpunkt zu aktivieren. Das Risiko eines späteren Verlusts ist dabei einzupreisen oder über eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten abzubilden, in der Praxis bspw. als Stornorückstellung oder Nachhaftungsrisiko bezeichnet. Eine solche Rückstellung muss nicht unbedingt identisch sein mit der Höhe der zu aktivierenden restlichen Provisionsforderung, da die Grundsätze zur Bemessung beider Bilanzposten nicht zwingend deckungsgleich sind.

Da sich das Finanzgericht mit vorgenannten Grundsätzen nicht befasst und auch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, weist der BFH die nicht spruchreifen Sachen an das Finanzgericht zurück. Im Hinblick auf die Streitfrage, ob seitens des Versicherungsvermittlers – das Bestehen einer Aktivierungspflicht dem Grunde nach vorausgesetzt – die rechnerisch richtige Höhe des Einbehalts („Soll-Rückstellung“) oder die tatsächliche Höhe des Einbehalts („Ist-Rückstellung) zu aktivieren ist, tendiert der BFH zu Letzterem. Denn bei dem Soll-Bestand dürfte es sich nur um eine theoretische Rechengröße handeln, die nicht die tatsächliche Höhe des Einbehalts – und damit der korrespondierenden Forderung des Versicherungsvermittlers – abbildet.

Hinweis:

Der BFH äußert sich in seinem Urteil – soweit ersichtlich – erstmalig zur bilanziellen Behandlung von Provisionsansprüchen bei Versicherungsvertretern. Allerdings bleibt der zweite Rechtsgang in dieser Angelegenheit abzuwarten; somit sollten vergleichbare Fälle weiterhin verfahrensrechtlich offengehalten werden.

Dieser Artikel wurde verfasst von

Katrin Driesch
Steuerberaterin, Director, National Office Tax & Legal/Quality Assurance