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Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse: Fundament für nachhaltige Unternehmensführung 

Gekommen, um zu bleiben. Auch wenn das Omnibus-Paket viel Bewegung und Unsicherheit in die Nachhaltigkeitsberichterstattung gebracht hat, ist eines sicher, die doppelte Wesentlichkeitsanalyse (engl. Double Materiality Assessment, DMA) bleibt bestehen! Unabhängig vom zukünftigen Umfang der Berichtspflichten bleibt die doppelte Wesentlichkeitsanalyse weiterhin das Herzstück der Nachhaltigkeitsberichterstattung unter der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Diese Analyse verbindet zwei wesentliche Perspektiven: die Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf die Umwelt und die Gesellschaft sowie die finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen selbst. In diesem Kontext wird die Wesentlichkeitsanalyse nicht nur als ein Instrument zur Erfüllung von Berichtspflichten betrachtet, sondern als strategisches Werkzeug für die Unternehmensführung.


Die Grundlagen der doppelten Wesentlichkeitsanalyse

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht eine systematische und nachvollziehbare Priorisierung von ESG-Themen (Environmental, Social, Governance) basierend auf zwei Dimensionen: der Impact-Materialität (Inside-Out) und der finanziellen Materialität (Outside-In).
  1. Impact-Materialität (Inside-Out): Diese Perspektive betrachtet die Auswirkungen, die ein Unternehmen auf Umwelt, Gesellschaft und Menschenrechte hat. 
  2. Finanzielle Materialität (Outside-In): In dieser Dimension wird analysiert, welche ESG-Aspekte die wirtschaftliche Lage, Strategie oder Risikostruktur eines Unternehmens beeinflussen. 
Ein Thema gilt dann als wesentlich, wenn es in einer oder beiden Dimensionen von Bedeutung ist. Diese Methodik liefert eine tragfähige Grundlage für strategische Entscheidungen und unterstützt Unternehmen dabei, ihre Ressourcen effizient zu steuern.


Praxisrelevanz und Mehrwert der Wesentlichkeitsanalyse

Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Unternehmen, die bereits eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt haben, von dem daraus gewonnen Mehrwert profitieren. Denn die Analyse ermöglicht es ihnen, relevante Stakeholder zu identifizieren und deren Erwartungen besser zu verstehen. Darüber hinaus bietet sie wertvolle Erkenntnisgewinne zu ökologischen und sozialen Geschäftsauswirkungen sowie ein hilfreiches Screening von ESG-Risiken und -Chancen, die als Basis für ein resilientes und strategisches ESG-Risikomanagement dienen.


Die Vorteile der Wesentlichkeitsanalyse sind vielfältig:

  • Kapitalmärkte und Finanzierer fordern zunehmend ESG-Transparenz. Unternehmen, die eine fundierte Wesentlichkeitsanalyse vorweisen können, sind besser auf diese Ansprüche vorbereitet, um das Vertrauen von Investoren zu gewinnen.
  • Geschäftspartner erwarten belastbare Nachhaltigkeitsinformationen in der Lieferkette. Eine transparente Wesentlichkeitsanalyse erhöht die Glaubwürdigkeit in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen.
  • Stakeholder prüfen die Glaubwürdigkeit und Wirkung von Nachhaltigkeitsaktivitäten zunehmend kritisch. Eine gut durchgeführte Wesentlichkeitsanalyse kann dazu beitragen, das Vertrauen in die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens zu stärken.
  • Ratingergebnisse, wie die von Sustainalytics, basieren auf der Handhabung von finanziellen Risiken im Zusammenhang mit ESG-Themen. Auf Basis der Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse lassen sich gezielt ESG-Themen im Unternehmen angehen und somit das Ratingergebnis verbessern. 


Vom Reporting-Pflichtprogramm zum Fundament für nachhaltige Unternehmensführung

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist damit nicht nur ein Instrument zur Erfüllung von Berichtspflichten, sondern auch ein entscheidendes Element für die unternehmerische Steuerung. Richtig angewendet, unterstützt sie Unternehmen dabei, strategisch verankerte Nachhaltigkeitsziele zu definieren und zu ermitteln, welche Aspekte wirklich relevant sind und an welchen Stellen das Unternehmen Einfluss ausüben kann.

Zusätzlich ermöglicht die Wesentlichkeitsanalyse eine effiziente Ressourcensteuerung. Anstatt Ressourcen nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, können Unternehmen zielgerichtete Maßnahmen ergreifen, die tatsächlich einen Unterschied machen. Die Prüffähigkeit der Berichterstattung wird ebenfalls erhöht: Wer frühzeitig Klarheit über relevante Themen schafft, minimiert Prüfungsrisiken und den Aufwand für Nachbesserungen. Auch mittelbar bringt die Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse sowie die darauf basierende strategische Ausrichtung des Unternehmens Vorteile. Sie kann zu einem Reputationsgewinn führen, der die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber steigert. Unter dem Aspekt des zunehmenden Fachkräftemangels ist dies als entscheidender Faktor für den Fortbestand der Unternehmung zu bewerten.


Prüfungsperspektive: Worauf es jetzt ankommt

Aus Sicht der Wirtschaftsprüfung zeigt sich, dass viele Unternehmen sich derzeit in einer Phase zwischen Unsicherheit und Vorbereitung befinden. Drei wesentliche Empfehlungen lassen sich daraus ableiten:
  1. Jetzt analysieren: Eine methodisch fundierte Wesentlichkeitsanalyse ist auch unabhängig vom finalen Zeitplan der CSRD ein wichtiger Baustein für Steuerung und Glaubwürdigkeit.
  2. Stakeholder einbinden: Der Dialog mit Stakeholdern erhöht die Akzeptanz und schafft Transparenz, was für die Implementierung von Nachhaltigkeitsstrategien von großer Bedeutung ist.
  3. Substanz in der Priorisierung: Die Materialitätsmatrix sollte auf einer nachvollziehbaren Methodik basieren und zur Gesamtstrategie des Unternehmens passen.
Selbst bei möglichen Änderungen der Zeitpläne bleibt die Prüfungspraxis anspruchsvoll. Bewertet werden unter anderem die angewandte Methodik, die dokumentierte Governance sowie die Konsistenz mit der Gesamtstrategie.


Warum Unternehmen jetzt in Nachhaltigkeit investieren sollten

Trotz potenzieller Erleichterungen im Reporting bleibt die generelle Ausrichtung der EU im Zuge des Green Deals auf die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft bestehen. Unternehmen, die in diesem Markt agieren, sind kurzfristig bis mittelfristig gefordert, ihre Geschäftsaktivitäten entsprechend anzupassen. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse fungiert somit als strategisches Instrument, um Nachhaltigkeit mit finanzieller Steuerung zu verknüpfen.

Unternehmen, die jetzt mit der Umsetzung der Wesentlichkeitsanalyse beginnen, können sich vorne in der europäischen Unternehmenslandschaft positionieren. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit diesen Themen schafft nicht nur Klarheit und Effizienz, sondern auch Vertrauen bei Investoren, Kunden und weiteren Stakeholdern. Nachhaltigkeit wird somit zu einem Wettbewerbsfaktor, der Unternehmen langfristig erfolgreich macht.
 

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